Was würden Land und Volk durch eine Direktwahl des Bundesrates gewinnen? Nichts!

Das soll begründet werden. Erstens: Der Ausdruck Volkswahl ist ein Schlagwort. Das Volk wählt den Bundesrat durch die Parteiwahlen selbstverständlich jetzt schon und die Bundesversammlung bestellt ihn Mitglied für Mitglied. Das ist weltweit einzigartig. Sodann sind durch die friedensstiftende Zauberformel alle wichtigen Teile des Volkes im Bundesrat zum Segen des Landes seit langem gleichmässig vertreten. Durch eine Direktwahl wäre diese gutschweizerische Errungenschaft nicht mehr gewährleistet. Übrigens: wer hat den neuen Bundesrat gekannt, so dass er ihn hätte wählen können? Im Bund funktioniert die direkte Wahl nicht.

Zweitens: Die Bundesrat ist für unser Land von existenzieller Bedeutung. Denn wir haben kein Staatsoberhaupt als ruhender Pol, kein starkes Bundesgericht für den Streitfall, ausserdem ein Parlament, das nur sessionsweise in der Hauptstadt präsent ist. Damit ist der Bundesrat die einzige starke und permanente Klammer unseres zersplitterten Föderalismus. Sodann ist die Schweiz ein Kleinstaat und eine sprachgespaltende Willensnation, die eine Regierung braucht, die berechenbar und stabil ist und ohne grosse Streitigkeiten auskommt. Auch das wäre durch eine Direktwahl nicht mehr gesichert.

Drittens: Man sollte sich vor Augen halten, dass Wahlverfahren ganz entscheidende staatspolitische Mechanismen sind, die Auswirkungen auf das ganze Regierungssystem haben. Ändert man sie, dann hat das entsprechend massive Folgen. Ein Übergang zum Majorz würde unser ganzes Regierungssystem verändern. Ähnliche Folgen hätte eine Direktwahl des Bundesrates. Sie würde die Gewaltenteilung verändern, das Parlament, damit die Parteien und die Wahlen schwächen, das Kollegialsystem bedrohen und stattdessen die Massenmedien, finanziell potente politische Propagandisten, Selbstdarsteller und Populisten stärken. All das wäre nachteilig für die Konkordanz und das Funktionieren direkten Demokratie.

Viertens: Völlig unklar ist das Verfahren der Direktwahl. Müssten die Bundesräte dann selbst Wahlkämpfe führen und wer würde diese finanzieren? Würden Bundesratssitze möglicherweise käuflich?

Fünftens: Wir alle wissen, dass das Regieren schwerer geworden ist, dass der Bundesrat keine Wunder wirken kann, wenn eine Grossbank Milliarden verbrennt oder wenn das Ausland uns unter Druck setzt. Und wir alle wissen auch, dass unsere Regierung kein Samaritervereins-vorstand, sondern ein Kollegium ist, in dem es auch Konflikte geben darf und soll. Vieles an der jüngsten Kritik ist unberechtigt. Auch ein direkt gewählter Bundesrat wäre nicht fehlerlos.

Sechstens: Durch eine Direktwahl würde der Bundesrat noch stärker und das Parlament hätte noch grössere Mühe, die ihn zu kontrollieren. Wie schon bemerkt, verlören damit die Parteien und auch die Wahlen an Bedeutung. Liegt das im Interesse des Volkes?

Siebtens: Gravierende Folgen hätte die Volkswahl auch für das Kollegialsystem, das Macht und Verantwortung gemeinsam trägt. Denn wenn die Bundesräte vom Volk direkt gewählt werden, dann würde jeder selbstverständlich zuallererst seine eigenen Wiederwahlchancen optimieren wollen. Die Kollegialität würde dann kaum mehr funktionieren, was dem Gemeinwohl und der Lösung unangenehmer Aufgaben abträglich wäre. Und so würden Land und Volk zu Verlieren.

Es gibt keine durchschlagenden Argumente für die Änderung der bewährten Wahlart. Wer sie aus Rache für eine Wahlniederlage betreibt, handelt unschweizerisch, ja verantwortungslos. Wer in der Wirtschaft verliert, fliegt vom Markt, in der Politik kann ein Verlierer weiterwühlen.

Leonhard Neidhart

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