Im ‚Reich der Eitelkeiten’

Der Beitrag von Michael Furger liest sich beinahe wie eine Rechtfertigung zum Wahlverzicht. Er überzeichnet und verallgemeinert die Rollenspan-nungen von PolitikerInnen zu sehr, legt unzutreffende (deutsche) Mass-stäbe an und berücksichtigt unsere kleinstaatliche Öffentlichkeitstruktur zu wenig.

Doch vorweg: Auch Bankern, Chefärzten, Professoren usw. (und nicht nur PolitikerInnen) ‚dringen der Glaube an die eigene Bedeutung und die Eitelkeit auch aus jeder Pore’. Nicht nur die Politik auch die Arbeitswelt ‚runiert Freundschaften, zerstört Ideale und berauscht die Sinne’, aber schafft auch das Gegenteil. Furger stilisiert PolitikerInnen zu Nazissen, heroisch-tragischen Helden mit Realtätsverlust. Ihr ‚Höhenrausch’ ist in der Schweiz nicht so stark wie im nördlichen Herkunftsland der Beschreibung.

PolitikerInnen sind (wie Journalisten) ‚öffentliche Personen’, d.h., dass sie von viielen Leuten gesehen, gehört. beurteilt und auch gewählt oder abge-wählt werden. Um so grösser (weil bekannter) sind das Wohl und das Weh ihrer Erfolge und ihres Scheiterns. Damit hat Furger recht. Ausser-dem haben PolitikerInnen als Politiker keine spezielle Berufsqualifikation wie z.B. Ärzte oder Anwälte. Deshalb müssen sie Aufmerksamkeit, Bekanntheit und Akzeptanz mit anderen möglichen und unmöglichen Mittel ergattern, (wie es auch Furger mit seinem überissenen Titel und seinen Personalisierungen macht.)

Wir sind ein kleines Land, das sich für die nationalen Wahlen noch 23 mal verkleinert. Damit wird vieles (noch) sichtbarer, bekannter und öffentlicher im positiven wie im ‚bedrohlichen’ Sinn. Genau das kann schmerzhafter oder ‚ehrwürdiger’ machen. Deshalb zieht man sich entweder ins Private (und aus der Politik) zurück oder muss sich als AmtsbewerberIn den Gesetzen dieser transparenteren Oeffentlichkeit stellen und entsprechende Mittel wählen, wenn man nicht vergessen werden will, wie z. B.. der abgewählte CVP-Regierungsrat Holenstein.

Zu unseren kleinstaatlichen Verhältnissen gehört, dass auch in unserer Politik vieles personenbezogener (individualistischer, nicht personalis-tischer) abläuft. Das wirkt auch auf die Wahlkämpfe zurück und ist gut so. Ausserdem sind unsere KandiatenInnen in der Regel stärker auf sich selber gestellt, weil sie von unseren organisatorisch und finanziell schwachen Parteien weniger getragen werden können. Also müssen sie selber mehr kämpfen, vor allem die Frauen, die Furger besonders im Visier hat.

Einen Schlenker macht Furger auch über das Milizprinzip: ‚Der vielgelobte Miliizcharakter des eidgenössischen Paralmentes, der die Bodenhafund seiner Mitglieder sicherstellen soll, sei längst ein Mythos’. Wie denn? Wir haben auf allen dire Staatsebenen Parlamente und wollen keine Kaste von Berufspolitikern ohne Bodenhaftung (und ‚Höhen-rausch’), möglichst keine Parlamentarier, die von der Politik leben. Da sind ‚Milizpolitiker das ‚kleinere Übel’. (Allerdings schadet es der demo-kratischen Gewaltenteilung, wenn ein Nationalrat auch noch als Journalist tätig ist, wie der SVP-Classe politque-Kritiker Mörgerli oder jetzt der freisinnige Leutenegger.)

Die Bundesversammlung muss sich so organisieren, dass sie mit ihrer knappen (und durch die Masse unsinniger persönlicher Vorstösse ver-geudeten) Zeit zurechtkommt. An den von Furger geannten 200kg Papier ist sie weitgehend selber schuld. Einiges hat sie dazu vorgekehrt. Und wir sollten nur Leute nach Bern wählen, die die nötige Zeit und Kompentenz für das Amt haben.

Leonhard Neidhart, Zürich

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