Die ‚Wischi-Waschi-Partei’?

Hardliner der Zürcher SVP verhöhnen die CVP oft als ‚Wischi-Waschi-Partei’. Vor allem dann, wenn die CVP nicht macht, was die SVP will. Noch andere böse Sprüche hat die ehemalige Bauern- und Bürgerpartei (BGB) auf Lager. So bezeichnete ihr Kantonalpräsident die Bundes-ratswahlen öffentlich als ‚widerliches System’. Solche Schmähungen kommen von einer Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die guten Traditionen unseres Landes zu hüten. Das passt nicht so recht zusammen!

Mit der Anschwärzung ‚Wischi-Waschi-Partei’ wirft man der CVP vor, dass sie nicht stur und rechthaberisch Interessen und Positionen vertritt, sondern nach Möglichkeit und immer wieder den Ausgleich, die Ver-ständigung, eben Kompromisse und einen Mittelweg sucht. Das ist nicht immer dankbar und schafft oft nur mittlere Zufriedenheit, wenn überhaupt. Dann hört man das Schlagwort von der klaren Positionierung.

Das ist schön und gut, aber oft Augenwischerei. Denn unsere heutige Politik ist, wie man sagt, sehr komplex geworden. Das heisst, dass ihre Entscheidungen mit vielen Dingen zusammenhängen und in viele Be-reiche hineinwirken. Ein naheligendes Beipiel: Autofahrer beschweren sich, dass die Renovation der Hardbrücke in der Stadt Zürich so lang dauert und fordern deshalb Nachtarbeit. Man müsse auf die Anwohner-Innen Rücksicht nehmen und sie gegen Lärm und Staub schützen, erklärte die Stadtregierung.

Rücksichten sind bei allen Entscheidungen nötig: in Familie, Gemeinde, im Kanton und im Bund. Sicher sollen die Parteien Kanten und Profil zeigen, damit man weiss, woran man ist. Aber das allein genügt nicht, denn das kann jeder Verband. In den Verantwortungsbereich der Parteien gehört, und vor allem, dass sie Verständigungen und Mehrheiten suchen und dann auch mittragen, wenn es etwas kostet. Tun sie das nicht, dann sind sie überflüssig. Und weil die CVP sich immer wieder um Mittelwege bemüht, ist sie nicht überflüssig.

Wer immer nur vom Volk spricht, vertuscht, dass unser Volk keine homogene Einheit ist, sondern eine Summe von verschiedenen Gruppen, von Jungen und Alten, Frauen und Männern, Städtern und ‚Ländlern’, Welschen, Tessinern und Deutschsprachigen, von ‚Urschweizern’, Einge-bürgerten und Ausländern, von Gesunden und Kranken, von Begüterten und Armen usw. Eine gute Politik berücksichtigt solche Verschieden-heiten, und verantwortungsbewusste Parteien behalten sie, trotz zu ihrem Parteistandpunkt, im Auge.

Natürlich sind wir ein Volk. Aber wir sind auch ein Bund, also eine Ver-bindung und Verbündung von Verschiedenen; wir sind eine Eidge-nossenschaft, also ein Zusammenschluss von ‚unterschiedlichen Genos-sen’, eine Gesellschaft aus verschiedenen Schichten. Und das Volk hält nur zusammen, wenn die inneren Verbindungen und gegenseitigen Rück-sichtnahmen spielen.

Der Kleinstaat Schweiz braucht diesen Zusammenhalt. Er braucht ‚politischen Kitt’, je länger desto mehr. Er braucht auch Parteien, die ‚gesellschaftspolitisch’ ‚kitten’ und weniger Emotionen nur wecken, nur um an die Macht zu kommen. Und einfache Lösungen gibt es nicht mehr. Man denke nur an die Sozialversicherungen (AHV, IV), an den Schutz der Umwelt und an den Umgang mit unseren Ausländern usw..

Ich bin mir bewusst, in einer glücklichen Epoche gelebt zu haben. Nun sind die Jungen an der Reihe. Sie haben allen Grund, genau zu beob-achten, was unsere politischen Parteien tun und welche von ihnen eine sozial ausgleichende, nachhaltige und zukunftsgerechte Politik nicht nur ankündigt, sondern auch betreibt. Auch wenn es mühsam wird und et-was kostet. Schliesslich geht es um ihre Zukunft. Wir brauchen in uns-eren Land keine Parteipolitik der grossen Vereinfachungen und Schlag-worte, sondern eine solche, die das politisch Notwendige mit allen Kräft-en möglich macht. Alles andere ist wirklich ‚Wischi-Waschi-Politik’.

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