Bundesrat Leuenberger ‚kann sich selbst essen’!

Während einer Parlamentsdebatte wurde Bundesrat Moritz Leuenberger eine Schokolade geschenkt. ‚Ich habe gerade eine Schokolade bekommen, die mein Portrait darstellt,’ sagte er, ‚Davon bin ich so begeistert, zum ersten Mal kann ich mich selbst esssen.’ Die Damen und Herren Räte lachten, was im Protokoll der Räte jeweils als ‚Heiterkeit’ bzw. ‚Hilarité’ (H) festgehalten wird.

Diese Reaktion ist ein kleines Beispiel für den Humor, für die Ironie und für die Schlagfertigkeit, die unser Umwelt- und Medienminister in seinen Parlamentsreden gelegentlich kreiert hat. Er sprach gut, kurz und führte in Auseinandersetzungen eine feine Klinge. Die folgende lockere Samm-lung gibt eine Reihe solcher Geistesblitze wieder, die scheidende Bundesrat Leuenberger während der vergangenen Jahrzehnte in die Räte von sich gegeben hatte.

Vorweg noch ein solches Exempel: ‚Dass Herr Hess (OW) von meiner Antwort auf seine Interpellation (zu einer Holzverwertungsproblematik) nicht befriedigt ist, ist einer der tiefsten Schläge, die ich je einstecken musste. Ich empfinde das als einen Holzhammerschlag auf meine sonst fröhliche Natur, obwohl man sie nicht immer bemerkt.’ (H)

Dass mit der folgenden Auswahl kein falsches Bild über unseren eidge-nössischen Parlamentsbetrieb entsteht, ein paar Vorbemerkungen: Unsere Parlamentsdebatten sind in aller Regel sachlich trocken, anstrengend und machmal eher holprig, ausserdem mehrsprachig. Die Redezeiten werden auf Sekunden genau abgezirkelt; falsches Pathos und Grobheiten sind verpönt; starke Rhetorik von ‚hohen Regierungstieren’ findet nicht statt. Wenn dann aber ein Bundesrat mit seinen Reden für etwas ‚Entspannung’ sorgen kann, wird das meist dankbar quittiert. Jedem ist das nicht gegeben. Moritz Leuenberger schon, obwohl er in den letzten Jahren etwas nachgelassen oder wenig Gelegenheiten gefunden hatte.

Zum richtigen Bild unserer Parlamentskultur gehört auch, dass wir fleissige Parlamentarier und Bundesräte haben, die in aller Regel in der kleinen Ratsöffentlichkeit korrekt miteinanderumgehen, weil man sich ja kennt. Der Zürcher Moritz Leuenberger ist seit 1995 Bundesrat und hat seither in den Räten immerhin rund 2200 Mal kurz und länger das Wort ergriffen. Für andere Bundesräte finden sich ähnlich hohe Werte. Das kennzeichnet die intensive Kooperation zwischen Parlament und Regierung. Sie ist, trotz aller derzeit laufenden Kritik am Bundesrat, ohne Übertrebung, einmalig.

Zugleich amtieren unsere Nebenamtsparlamentarier als Weltmeister mit individuellen Vorstössen aller Art. Pro Jahr sind es um die Tausend Initiativen, Motionen, Postulate, Interpellationen und Anfragen, zählt man beide Räte zusammen. Das freut nicht immer alle, gibt dem Bundesrat viel zusätzliche Arbeit und kostet einiges an Zeit und Geld, ist aber erklärbar und auch Ausdruck der Lebendigkeit unserer Räte. Denn unsere kleinstaatlichen Verhältnisse, unsere kleinen Parlamente und Regierungen lassen eben mehr individuelle Spielräume zu bzw. machen weniger Zwangsmittel wie strikte Fraktionszwänge und weniger Befugnisse starker Führungsfiguren usw. notwendig.

Seitdem das Bundesparlament eine regelmässige Fragestunde eingeführt hat, wird sehr häufig zu allem Möglichen und Unmöglichen gefragt. Das Parlament will die Bundesräte ‚antraben’ lassen und die Parlamentarier wollen sich dabei präsentieren. Pro Fragestunde stehen oft 20 bis 30 Fragen an, von denen aber nur ein Teil von de Bundesräten mündlich beantwortet werden kann. Dabei lässt das strikte Zeitregime nur selten kleine Wortgefechte zu.

Bundesrat Leuenberger in der Fragestunde

Bei überflüssigen oder einfältigen Fragen, die auch vorkommen, lässt Leuenberger dann ab und zu Ironie spielen. So zu einer Frage nach der Sicherheit im Bahnverkehr: ‚Wie weit reicht der Arm der Securitas in den Bundesrat?’, so ein Frager. Leuenberger: ‚Zunächst muss ich sagen, dass dieser Arm der Securitas im Bundesrat physisch präsent ist und zwar in meiner Person. Ich war früher Securitaswächter.’ (H)

Antwort auf Toni Brunner’s Frage nach dem Luchs in unseren Regionen: ‚Was den Luchs Turo selbst betrifft: Turo ist über die Autobahn und über den Rhein tatsächlich in den Schwarzwald geflohen. Wir wissen nicht genau warum. Aber die Wahrheit ist, dass er dort kein einziges Weibchen gefunden hatte. Er wäre dort rettungslos verendet. Vielleicht hätte er in die Schwarzwaldklinik für einsame Luchse gehen müssen, während im Raume St. Gallen lauter Luchsweibchen sind.’ (H)

Zum Verbot des Sponsoring von Verkehrsmeldungen durch inländische Frühkartoffelhändler. Leuenberger: ‚Wir können uns vorstellen, dass die SRG hier gefunden hat, es sei der inländischen Frühkartoffel nicht wert, von den Verkehrmeldungen gebodigt zu werden, obwohl es in unseren Augen eine Menge von Parallelen geben würde. Denken Sie nur an das Stocken des Verkehrs und an den Kartoffelstock, oder denken Sie an den Verkehrsalat und den Kartoffelsalat. (H) Ich möchte mich auch bei allen, die mir aus Protest Frühkartoffeln in grossen Mengen geschickt haben, bedanken. So kommt man doch hin und wieder doch in den Genuss einer unverdienten Freude.’ (H) Das sind wohl einfache Wortspielchen, aber im Stress der Parlamentsitzungen lösen sie doch etwas Entspannung aus.

Zur Frage des Appenzeller’s Freund, ob die leeren Tiertransporter auch wirklich gereinigt durch die Schweiz fahren würden. Leuenberger: ‚Jetzt wäre ich für etwa sechs detaillierte Zusatzfragen fantastisch gewappnet gewesen, aber gerade diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.’ (H)

Frage Ruhewagen der SBB. ‚Zunächst zur Frage der Ruhewagen. Diese sind bei der SBB tatsächlich sehr beliebt, Halt, Moment, in der Eile habe ich Ihre Frage vorgelesen. Aber sie ist so überzeugend gestellt, dass sie sich auch als Antwort eignen könnte.’ (H)

Ein anderes Mal: ‚Das wäre jetzt die Antwort an Herrn Wicki, der aber nicht mehr da ist. Aber er war vorher da und als ich ihm nicht mehr zuhören konnte, konnte ich ihm das sagen, was ich ihm jetzt gesagt habe. (H)

Nachdem Herr Escher mit meiner Antwort befriedigt ist, habe ich keinen Anlass, noch etwas zu sagen, mit dem er dann doch wieder nicht mehr zufrieden ist.’ (H)

Zu einer Frage nach der Waldplanung: ‚Wenn Sie mich nach den Waldplanungen fragen, dann hätte ich diese schon längst abgeschlossen. Ich habe das einmal den kantonalen Forstdirektoren versprochen. Ich war damals noch naiv, noch naiver als heute.’ (H)

Herr Bundesrat. ‚Können Sie wiederholen, was Sie soeben gesagt haben? Ich habe es nicht recht verstanden.’ (H) Leuenberger: ‚Nein’ (H)

Zu Interpellationen und Motionen

Leuenberger: ‚Sie können schon sagen, der Bundesrat sei von allen guten Geistern verlassen. Aber wenn er einmal nicht so recht weiss, was er tun soll, lehnt er sich im Zweifelsfall an die Geister des Parlamentes.’ (H)

Zum Anschluss an das internationale Hochgeschwindigkeitsnetz: ‚Ich habe mich jetzt eine Weile gefragt, wenn Sie so drauflos schlagen: Bin ich eigentlich der Sack oder der Esel? Oder bin ich beides? (H)

Später dazu: ‚Vielleicht zum letzten Mal in diesem Geschäft streckt Ihnen der Bundesrat die Hand entgegen, auf dass Sie mit ihm über die wogenden Wasser regionaler Wünsche auf die Brücke der Tugend wandern, hinüber auf das trockene Ufer vernünftiger Sparsamkeit.’ (H)

Zu Geschäftsöffnung in Bahnhöfen: ‚Gemeint ist natürlich nicht, dass der Bundesrat bei jedem Bahnhof von neuem darüber entscheidet, ob der Verkauf von Strümpfen mit dem Bahnfahren etwas zu tun habe, weil man diese am Trittbrett aufreissen könnte.’ (H)

Eine Motion zur Renaturierung von Gewässern: ‚Die Motion hat einen verführerischen Titel und kommt aus dem Kreis der mächtigsten Lobby, die es überhaupt gibt. Denn schon einige Kantone haben erfahren müssen, dass im Vergleich zur Kumulation von Fischern und Grünen sämtliche Parteien nur noch bedeutungslose NGO’s (Nichtregierungsorgani-sationen) sind.’ (H)

Motion zum Schutz der Hecken: ‚Hecken sind wertvolle Lebensräume für bedrohte Tiere. Gelegentlich werden sie von Heckenschützen miss-braucht, die sich hinter Hecken verstecken. Aber diese sind in der Politik eigentlich weit mehr verbreitet als in den wirklichen Hecken.’ (H)

‚Frau Forster hat mit ihrer Interpellation „weniger Worte und mehr Aktion“ gefordert, und Herr Pfister „weniger Papier und mehr Taten“. Umgekehrt hätte Herr Büttikofer gerne ein ganz anderes Papier gehabt. Wir nehmen alles auf.’ (H)

‚Ich kürze jetzt etwas ab. Ich bin heute noch an der Veranstaltung „Vision der Schweiz“ gefordert, und bis dahin muss ich etwas feierlicher werden.’ (H)

Zu einem Postulat bezüglich Klärschlamm: ‚Dabei muss ich Ihnen heute schon eines klar sagen. Der Name „Swisscompost“ wird nicht in Frage kommen, weil ich dann weiss, dass sowohl die Swisscom als auch die Post markenrechtliche Proteste erheben werden.’ (H)

Gegen den Vorwurf von Frau Genner im UVEK gebe es Schubladen, in denen Postulate einfach so vor sich her schlummerten. Leuenberger: ‚Sie können einmal in mein Zimmer kommen. Ich habe einen Tisch, darauf hat es einen Computer, aber es gibt keine einzige Schublade.’ (H)

Im Gesetzgebungsverfahren

An einem Morgen ist Bundesrat Leuenberger zur Bereinigung einer Differenz für nur fünf Minuten im Ständerat: ‚Es war ein Highligth für mich, heute Morgen bei Ihnen sein zu dürfen, vielen Dank,’ sagte er. (H) Der Ratpräsident Carlo Schmid (AI): ‚Herr Bundespräsident Leuenberger ist offenbar noch rasch zufrieden.’ (H)

Im Vergleich zum Ständerat ist der Nationalrat nur schwer zur ‚Heiter-keit’ zu bringen. Leuenberger zur Revision des Raumplanungsgesetzes: ‚Es ist richtig, dass es nur eine kleine Vorlage ist. Ich muss Ihnen aber sagen; Nicht alles, was klein ist, ist bedeutungslos. Sie sind auch viel kleiner als der Nationalrat.’ (H)

Der Bundespräsident Leuenberger spricht im Ständerat, wo er sich offen-bar am wohlsten fühlt, zu den Jahreszielen des Bundesrates: ‚Ich habe mir lange überlegt, ob ich hier etwas anderes sagen müsse als im Nationalrat. Allerdings haben es die Nationalräte ausnahmslos nicht gehört, weil niemand dort war, der irgendwie zugehört hätte. Aber es hatte doch ein-ige Zeitungsvertreter, die das eine und andere aufgenommen haben.’ (H)

Anlässlich der Bahnreform: ‚Auch das Parlament ist vor Modeström-ungen nicht verschont geblieben. Allein die Tatsache, dass ein Vertreter der Urschweiz (Carlo Schmid AI) im Ständerat plötzlich englisch spricht, zeigt das schon.’ (H)

Beim Radio und Fernsehgesetz: ‚Ich kenne viele Leute, die die Werbe-sendungen qualitativ besser finden als die inhaltlichen Sendungen und ihren Fernsehkonsum entsprechend ausrichten. Manchmal ist das sogar bei mir der Fall.’ (H)

‚Im Art. 10 dieses Gesetzes (über Radio und TV) geht es eigentlich um die besonders garvierernden Übel dieser Geselllschaft, nämlich um Tabak, Alkohol, Politik, Religion und um Heilmittel.’ (H)

Leuenberger weiter zu diesem Gesetz: ‚Ein theoretischer Fall. Ein Moderator einer Sendung sagt, er sei in keiner Partei. Das stimmt wahr-scheinlich. Er ist in keiner Partei. Jeden Freitag ist er tätig. Eines Tages hängt er seinen Beruf an den Nagel und tritt in eine Partei ein, aber nicht in diejenige, zu der er gehört.’ (H) (gemeint war Philipo Leutenegger)

Bei der FinöF: ‚Sind Sie für den Gotthard oder für den Lötschberg oder für beide zusammen, und sind Sie für eine Spur oder für zwei Spuren am Lötschberg? Ich hatte damals keine Ahnung vom Ganzen und sagte jedem Journalisten etwas anderes. Deswegen bin ich dann auch gewählt worden.’ (H)

Zum Zentrum für Tunnelsicherheit: ‚Ebenso wenig scheint es mir ein guter Kompromiss zu sein, dass wir z. B. in Lungern Brände legen, sie in Balstal löschen und in Hagenbach die Forschung darüber durchführen.’ (H)

Beim StVG: ‚Wir (der Bundesrat) unterstützen die Mehrheit (der Kommission), vor allem mit der Begründung, dass die Mehrheit den Bundesrat unterstützt.’ (H)

‚Zur Kunst einer gute Rede gehört auch, im richtigen Moment zu schweigen. Das werde ich jetzt tun.’ (H)

‚Ich kann Ihnen diese Garantie über die Regelung abgeben und in diesem Sinne sagen: “Fürchten Sie sich nicht, denn der Bundesrat ist bei Ihnen.“ (H)

Der Ratspräsident: ‚Herr Blocher möchte Ihnen eine Frage stellen.’ Leuenberger: ‚Wieso möchte Herr Blocher eine Frage stellen? Er weiss doch schon alles viel besser.’ (H)

Beim Gen-Lex-Gesetz: ‚Vielleicht ist das Gesetz deswegen so gut herausgekommen, weil ich an den Sitzungen Ihrer Kommission nicht teilgenommen habe.’ (H)

Zum Luftverkehr: ‚Ich habe jetzt dem ganzen Rat gesagt, dass mir das VBS eine Sprechnotiz gemacht hat. Es kommt zwar sehr oft vor, dass Sprecher Ihrer Kommission ein Referat halten, bei dem ich dann feststellen muss, dass es mit der Sprechnotiz identisch ist, die das Amt für mich gemacht hat.’ (H)

Beim Elektrizitätsmarktgesetz. ‚Ich habe mich gewundert. Warum musste ich gerade bei den Herren Speck und Schweiger an Shakespear’s Romeo und Julia denken? Es ist mir nachher in den Sinn gekommen. Es ist deswegen, weil Lorenzo zu den beiden gesagt hat: “Wer hastig läuft, der fällt“. (H)

‚Ich danke Ihnen, dass Sie dermassen einstimmig und konsensual auf die Vorlage zu diesem Kredit eintreten. Ich möchte Ihnen meinen Dank damit zum Ausdruck bringen, dass ich auf weitere Ausführungen verzichte und Ihnen ein schönes Wochenende wünsche.’ (H)

Beim Fernmeldegesetz: ‚Ich denke, dass Sie dem Bundesrat diese Kompetenz geben und Vertrauen in ihn habe sollten. Aber so, wie ich den Bundesrat kenne, wird er von dieser Kompetenz keinen Gebrauch machen, vor allem nicht in der jetzigen Zusammensetzung.’ (H)

Leonhard Neidhart

 

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